In den frühen achtziger Jahren lag eine schwule Aufbruchstimmung in der Popmusik – zumindest in Großbritannien. Franky goes to Hollywood gaben in „Relax“ für Insider heraushörbare Tipps zum Analverkehr, Boy George und der Culture Club durchschritten Geschlechtergrenzen und schufen damit Platz für die Pet Shop Boys und Bronski Beat. In Deutschland sah es in der Zeit anders aus. Die kommerzielle und größtenteils entsexualisierte Fröhlichkeit von NDW-Männern wie Hubert Kah, Peter Schilling oder Trio ließ kaum Zwischentöne zu. Was für ein Lichtblick müssen doch die beiden Musiker der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft, kurz DAF gewesen sein, die schweißtriefend, ernst und lüstern 1981 vom Albumcover ihres wegweisenden Albums „Alles ist gut“ die Phantasien schwuler Männer anregten. Ihr Sänger Gabi Delgado-López ist am Sonntag Abend im Alter von 61 Jahren überraschend verstorben, wie sein Bandkollege Robert Görl auf seiner Facebook-Seite mitteilte.
Eigentlich aus der künstlerisch orientierten Punkszene aus Düsseldorf kommend, war dieses Korsett für DAF schnell zu eng: „Punk hat mir sehr gut gefallen, nur Punkmusik nicht“, war so ein typischer Satz von Gabi Delgado in Interviews. Und so wurde der Sound von DAF schnell kalt, hart und elektronisch. Das, was sich später „Industrial“ nennen sollten, geht auf DAF zurück. Auch das übliche Bandschema wurde aufgelöst und obwohl Görl und Delgado- López nicht einmal zu den Gründungsmitgliedern gehörten, schmissen sie nach und nach alle anderen raus und wurden als Duo erfolgreich.
Delgado-López liebte die Energie des Punk, war aber musikalisch durch die schwule Disco-Kultur geprägt. Bereits als Teenager tanzte er in schwulen Clubs im Ruhrgebiet und dem Rheinland zu Donna Summers, James Brown und Giorgio Moroder. „Super, Sex und Elektronik, das ist es. Das ist, was ich machen will“, sagte Delgado mir vor drei Jahren in einem Interview. Da hatte der frühreife Gabi bereits sexuelle Erfahrungen mit Männern gesammelt. Erst mit Fußballhools im Ruhrgebiet, dann mit reichen, gebildeten Herren, wie er der taz 2003 erzählte.
Spätestens als er während einer Englandtour 1980 durch die schwulen Sex- und Fetischclubs Londons streifte, war die zukünftige Richtung von DAF klar: Hart wie Punk, schwul wie ein Darkroom. „So richtig fist-fuck-mäßig“ seien DAF da geworden, wie Delgado-López knapp 40 Jahre später erzählt. Die Band kleidete sich fortan im Leder- und Army-Look. Delgado-Lòpez legte Wert darauf, dass er keine Rolle spielte: „Dieses Sex- und Leder-Power-Image, das wir damals rübergebracht haben – bei mir war das alles sehr echt.“ Hinzu kam: Als Duo wirkten DAF wie ein schwules Paar. Gabi Delgado-López gibt aber auch an, dass die das niemals waren und auch nie intim wurden. Er sei allerdings in das künstlerische Können von Robert Görl verliebt gewesen.
Ebenfalls aus dem Punk beibehalten haben sich DAF ihren Hang zu Provokation und das Spiel mit Doppeldeutigkeiten. Noch bevor ihrem größten Hit „Tanz den Mussolini“ sang Delgado-López von lustigen Stiefeln, die in Polen einmarschierten. Aber sie erzählten auch von einer offensiv schwulen Liebesgeschichte im Stück „Der Räuber und der Prinz.“ Rückblickend für Delgado-López die viel größerer Provokation als die Koketterie mit Faschismus-Anspielungen, besonders für ihre rechten Fans, die DAF zweifellos um 1980 hatte. Für dieses Lied fingen sie sich auch schon einmal ein „Schwule Säue“ aus dem Publikum ein.
Nach diversen Alben war es Mitte der Achtziger nicht nur vorerst bis zur Reunion 2003 mit DAF vorbei. Auch Gabi Delgado-López verlor das Interesse an Männern. Nochmal die taz von 2003: „Heute lebe ich strikt hetero, und das seitdem ich vierundzwanzig, fünfundzwanzig bin. (…) Sex mit Männern, das war mir irgendwann einfach zu ähnlich wie ich, wie das so funktioniert. Da fand ich Frauen abenteuerlicher, fremder. Das ist lange her, dass mich ein Mann erregt hat, sexuell. Also wirklich sehr, sehr lange.“ Ganz egal, auf wen Gabi Delgado-López stand: Das Schwule, was heute so selbstverständlich in der elektronischem Musik verortet ist, kommt sicherlich auch von ihm.
Foto: Guido van Nispen/flickr.com/CC BY 2.0